Der kulinarische Oktober auf Sardinien: Kastanien, Kürbisse und herbe Süßigkeiten
von Nicole Raukamp - www.pecora-nera.eu
Der Oktober ist ein arbeitsreicher Monat für die Landbevölkerung. In einigen Regionen wird der Monat “su ladàmini” genannt, das bedeutet “der Mist” oder “der Dünger” – da die Landwirte in dieser Zeit ihre Felder düngen und nach der Ernte für das kommende Jahr vorbereiten. Und so ist auch die Küche geprägt von kräftigenden Gerichten. Da aber auch die Sonne noch häufig scheint, hat die klassische Hirtenmahlzeit aus pane carasau, Pecorino und Salsiccia ebenfalls noch Hochkonjunktur. Außerdem ist in einigen Regionen noch die Zeit der “Vendemmia”, der Weinernte. Und damit der neue Wein Platz findet, sind die Arbeiten auf dem Feld häufig von weinseligen Pausen begleitet. Ein Erntedankfest wie viele es kennen mögen, gibt es auf Sardinien nicht. Das liegt daran, dass es eher in protestantischen Regionen gefeiert wird und von der katholischen Kirche nicht als offizieller Festtag festgelegt ist. Aber das macht nichts. Denn im Oktober werden inselweit einige Feste gefeiert, die mit der Land- und Viehwirtschaft zu tun haben bzw. die sich um die regionalen Produkte und Spezialitäten drehen: der "Autunno in Barbagia" hält diverse kulinarische Highlights bereit (Termine und teilnehmende Orte auf http://cuoredellasardegna.it/).
Oktober: Schnecken, Kastanien & Co.
Feuerschale auf SardinienWas speziell im Oktober auf Sardiniens Tischen landet, darüber geben einige spezielle Feste Aufschluss: Man feiert zum Beispiel die Sagra della Polenta in Arborea, die Sagra della Lumaca (Schnecken) in Gesico und die Sagra delle Castagne e Nocciole (Kastanien und Haselnüsse) in Aritzo. Die Einwohner aus Arborea haben ihre Wurzeln in Norditalien, im Veneto, wo die Polenta aus Maismehl eine regionale Spezialität und das Essen der normalen Leute ist. Im Oristanese dominiert zudem die Tierhaltung und Milch- bzw. Käseproduktion. Auf den weiteren Flächen wird vorwiegend Reis und Mais angebaut, frische Zutaten kommen aus dem Golfo di Oristano und dem Meer. Und so kocht man rund um Arborea auch: Zur "Sagra della Polenta" gibt es die Spezialität zum Beispiel mit Pecorino und Salsiccia oder mit Moscardini (kleinen Tintenfischen) oder ganz schlicht mit dem aromatisch-herben Radicchio, leicht in Olivenöl angeröstet. Eine gute Polenta einer sardischen Nonna ist eines der besten Gerichte in dieser Jahreszeit. Das beste kulinarische Reiseziel im Oktober ist aber mit Abstand der Gennargentu. Die herbstliche Küche ist geprägt von allem, was im Wald zu finden ist - von Kastanien über Haselnüsse bis zum Wildschwein. Die "Sagra delle Castagne" in Aritzo widmet sich speziell den Kastanien, die man auch selbst bei einer Wanderung durch die Wälder (früh losgehen und warm anziehen, dort oben ist es schon recht kühl sein) sammeln kann. Sehr sehenswert ist der Castagneto secolare Geratzia, mit knorrigen, teilweise mehrere Jahrhunderte alten Kastanienbäumen. Im Wald ist jetzt auch Hochsaison der Pilze. Wenn es regnet und dann auch noch Neumond ist, sollen Steinpilze wie verrückt spriessen. Dann heißt es: zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Die "funghi porcini" finden den Weg in die Trattorien der Region und bereichern Pasta und Pizza. Absolute Vorsicht beim Selbstsammeln: Die ein oder andere Pilzart auf Sardinien ist lebensgefährlich und sieht dem Steinpilz auch noch ähnlich. Lieber jemandem überlassen, der sich damit auskennt. Im Zweifelsfall einen lokalen Wirt oder den Apotheker fragen. Schnecken (lumache) haben auf Schnecken auf SardinienSardinien jetzt ebenfalls Saison, weil das sommerliche Sammelverbot endet. Ab dem 15.10. dürfen sie wieder von Wiesen und Feldern eingesammelt und in der Küche verarbeitet werden, bis etwa Mitte März. Die besten Rezepte werden beim Fest in Gesico mit der "goldenen Schnecke" ("lumaca d'oro") prämiert. Darüber hinaus gibt es im Oktober auf Sardinien auch typische Herbstgemüse: Karotten, Blumenkohl, Zwiebeln, Auberginen, Kartoffeln, Sellerie, Radicchio, Rucola, Tomaten und Kürbisse. Wer auf Sardinien manchmal Kartoffeln vermisst, kommt jetzt auf seine Kosten: Im Oktober sind zum Beispiel frische Culurgiones, die mit Kartoffelstampf, Pecorino und Minze gefüllt sind, besonders gut. Caldarroste, Kartoffeln und Kastanien, über offenem Feuer geröstet, sind eine Spezialität in den sardischen Bergen. In der Gallura schwört man im Herbst auf "pecora in capotto", lang gekochtes Schaffleisch mit Kartoffeln und Zwiebeln.
Herbstgemüse Nummer eins: der Kürbis
Der Kürbis gehörte seit jeher zum kulinarischen Grund-Repertoire der sardischen Hausfrau. Die Vorteile des Gemüse: Kürbis wächst auch in kalter Jahreszeit und auf anspruchslosem Boden, und man kann ihn sehr gut lagern. In quasi jedem Hinterhof wächst irgendwo eine Kürbispflanze. In etwas größerem Stil baut man ihn in der Westhälfte der Insel an, zum Beispiel rund um Cabras oder weiter südlich im Medio Campidano sieht man immer wieder Felder, auf denen nach der Kornernte im Juli eine zweite Anbauphase mit Kürbis erfolgt. Eine weitere Verwendung findet der Kürbis in der sardischen Tradition. Ende Oktober / Anfang November wird an dem Tag vor Allerheiligen eine Art sardisches "Halloween" gefeiert, z. B. Su Prugadoriu in Seui oder in Escalaplano - aber auch Su Mortu mortu in Nuoro, nördlich der Berge. Der ein oder andere Kürbis fällt dabei wirklich vom Balkon auf die Straße oder es stehen ausgehöhlte Gemüse mit brennenden Kerzen darin herum. Kommt einem sehr bekannt vor, aber angeblich hat man hier schon immer Kürbisse verwendet, das sei gar keine amerikanische Erfindung. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Aber, hier und da treten tatsächlich antike, gruselige Gestalten auf, die typisch sardisch sind - wie S'Urtzu in Seui (mehr über das Fest hier: https://pecora-nera.eu/su-prugadoriu-das-sardische-halloween/).
Süßes im kulinarischen Oktober
Mit den Zitronen (limoni), die im Oktober reifen, beginnt auch die Saison der Mandarinen und Orangen, ital.: arance. Sie liefern die Hauptzutat für eine ganz besondere sardische Süßigkeit, ein "dolce tipico sardo": S'Aranzada. S'Aranzada kennt man vor allem in Nuoro, in Posada, in Siniscola, in Dorgali, in Lodè, in Bitti, in Orosei zu. Wer von ihnen es erfunden hat - das würde jeder der Orte, in denen man diese Süßigkeit zubereitet, vermutlich zu seinen Gunsten beantworten. Aber: Die besten Chancen auf das Copyright der Bäcker Battista AranzadaGuiso aus Nuoro. Seine schriftliche Dokumentation der "aranzada nugoresa" stammt aus dem Jahr 1886. Angeblich hatte er seine Dolci sogar an die Royals in England geschickt. Nichts wegwerfen ist auch eine Kunst in der sardischen Küche. Und so sind in dieser süßen Kreation die Orangenschalen die Hauptzutat. Unbehandelt versteht sich, aus dem heimischen Anbau und so geschnitten, dass keine einzige Faser Weißes aus der Schale enthalten ist. Dazu Honig (selbstverständlich aus der Region) und Mandeln (ebenfalls von der Insel, im Ofen sacht goldig geröstet). Wer mal in Siniscola ist, sollte versuchen, dort die "Arantzata thiniscolesa" zu bekommen: Sie wird mit der nur auf Sardinien wachsenden Zitrusfrucht "Pompia" zubereitet und hat einen ganz eigenen Geschmack. Und mittlerweile gibt es S'Aranzada sogar als eine Art Energieriegel - ideal sowohl auf Wanderungen durch die sardischen Berge als auch im Büro, um für die Kopfarbeit gesunde Energie zu tanken. (Nicole Raukamp, www.pecora-nera.eu)
Buon Appetito! von: Nicole Raukamp .